Was ist eigentlich "Pro Tsubo"?
 catalog “Pro Tsubo”
 Neue Galerie Landsudt, Germany, 2004



1. Erläuterung
Der Titel "Pro Tsubo" ist die Kombination aus einem deutschen und einem japanischen Wort zu einem für die Ausstellung neu geschaffenen, künstlichen Namen.

Tsubo ist dabei die Bezeichnung fuer eine japanische Grundmass, das für die Bemessung alltäglicher Flächen verwendet wird.Ein Tsubo entspricht zwei nebeneinander liegenden Tatamis, seine Fläche betraegt etwa 3,3 Quadratmeter.

2. ProTsubo Ausstellungskonzept
Was ist eigentlich "Pro Tsubo"?

Obwohl Deutschland und Japan sich in der Grösse ihrer Landesflächen nicht sehr stark voneinander unterscheiden, hat man in Japan viel eher das Gefühl von engen Lebensverhältnissen. Ein anschaulicher Grund liegt in der Art der landschaftlichen Ausbildung - während Japan zum grössten Teil aus Bergen besteht, hat Deutschland viele siedlungsfreundliche Ebenen.

Es könnte aber sein, dass das Gefühl und die Wahrnehmung von Enge in Japan sogar zugenommen haben. Unsere Gesellschaft, in der ständig neue Produkte hergestellt und Kauflust immer weiter gesteigert werden, in der Dinge überfluten obwohl wir eigentlich schon genuegend besitzen, aber auch die vielen Informationen, die durch elektronische Wellen zu uns gelangen - ob wir sie haben wollen oder nicht, sie füllen unseren Lebensalltag und machen ihn sowohl räumlich als auch zeitlich enger.

Was in dieser Situation nicht praktisch, aber vielleicht sinnlich die Enge des Lebensalltags aufweiten und ihr entspringen hilft, könnte die noch nicht modernisierte und überlebende Tsubo-Wahrnehmung der Japaner sein.

In Japan gab es bis etwa 1920 die Begriffe "shyaku" für Länge, "gou" für Volumen, "kan" für Gewicht und "Tsubo" für horizontale Fläche. Mit der Modernisierung wurden sie 1959 abgeschafft und ersetzt durch "Meter", "Liter", "Gramm" und "Quadratmeter". Wenn man in die Gesetze sieht, entdeckt man, dass "Tsubo" eigentlich ein nicht mehr zu gebrauchendes, ein totes Wort ist. Heute aber benutzen wir das Wort weiterhin in unserer Sprache, weil die Wahrnehmung des "Tsubo" im Alltag üblich geblieben ist. So wie die Tatami, von denen die meisten wenigstens zwei Matten zu Hause haben. Bewusst und unbewusst hat das Mass Tsubo das Leben der Menschen weiterhin mitbestimmt.

Der überlebende Ausdruck Tsubo birgt einen interessanten Aspekt in sich. Er vermittelt nämlich nicht nur die Vorstellung von der Grösse einer horizontalen Fläche, sondern auch von den menschlichen Aktivitäten Stehen, Sitzen, Liegen u.s.w., die in vertikaler Richtung aus dieser Fläche entstehen können. Auf die Frage "was kann man auf einem Tsubo machen?" könnte man antworten "Alles". Hört man die Grösse eines Platzes, erscheint in der Vorstellung zugleich eine Vielzahl an möglichen Aktivitäten der Menschen auf ihm. Das Wort Tsubo drückt deshalb nicht nur eine horizontale Fläche aus, sondern lässt darüberhinaus vertikale Vorstellung aus ihr entspringen.

In der Pro Tsubo genannten Ausstellung werden neun junge Künstler aus Japan gezeigt. Die Künstler entwickeln ihre Aktivitäten nicht nur in Japan, sondern bereits in der internationalen Kunstwelt. Trotzdem arbeiten auch sie vor dem Hintergrund dieser inneren Wahrnehmung des Japaners. Die Werke der Ausstellung thematisieren jedoch nicht räumliche Beschraenkungen, denen die Entstehung von Kunst in Japan etwa unterliegen würde. Die Werke entspringen allein dem konzentrierten individuellen Ausdruck der Künstler.

Pro Tsubo versammelt Künstler, deren Techniken und Materialien sich in Zurückhaltung und Reduzierung üben und deren Konzepte und Sujets bescheiden und vertraut wirken. Ähnlich der Tsubo-Wahrnehmung verharren die Arbeiten aber nicht an dieser Stelle, sondern lassen neue Bedeutungen entspringen - aus der Fläche in den Raum, aus dem Inneren nach aussen, in die Tiefe oder in die Breite.

Im übrigen ist "pro" ein deutsches Wort. Es bedeutet "je...", "per..." und ähnliches.

In der Ausstellung und im Katalog präsentieren wir deshalb neun Tsubos - neun mal künstlerischen Ausdruck aus einem Tsubo.




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